Mein Stadtteil: Maria lebte in Friedrichstadt
Wo kann man in Düsseldorf gut leben? An welchen Stadtteil habt ihr euer Herz verloren?
Für die Stadtteil-Infos im Freizeit-Katalog und unser Themenspecial Düsseldorfer Stadtteile befragen wir Menschen, die in Düsseldorf leben oder - wie in diesem Fall - gelebt haben.
Heute gibt die wortgewaltige Maria uns die Ehre, die sich beruflich spezialisiert hat auf Text aller Art für Handwerksbetriebe, einzelne spezialisierte Handwerker und alle Unternehmen, die sich mit Handwerkskunst speziell oder allgemein befassen. (Die Adresse ihrer Website ergänzen wir, sobald diese fertig ist.)
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ddorfer.info: Wer bist du, wie dürfen wir dich vorstellen?
Maria: Ich bin Maria, verheiratet, 1 Hund, kein Kind, mache was mit Texten und Handwerk, wohne seit 1999 nicht mehr in Düsseldorf, sondern in der Nähe, auf dem „Land“. Bin aber noch immer oft und zunehmend gern in Düsseldorf. Was mich schon während meiner Zeit als freie Journalistin dort sehr interessiert hat, war die Geschichte der Stadt und ihrer Stadtteile – darum werde ich in unserem Interview wohl ein wenig „aus der Reihe tanzen“, aber ihr habt mir ja versichert, das sei in Ordnung....
ddorfer.info: Ja, das ist in Ordnung, wir sammeln schließlich persönliche Eindrücke. In welchem Stadtteil von Düsseldorf hast du denn gewohnt?
Maria: Anfangs dachte ich ja, ich wohne in Bilk. Bis die S-Bahn-Station „Friedrichstadt“ mich ins Grübeln brachte. Es ist wirklich nicht einfach, Düsseldorfs Stadtteile voneinander abzugrenzen: Jedenfalls dann nicht, wenn man wie ich damals in der Corneliusstraße, Ecke Fürstenwall, wohnt. Die Corneliusstraße ist lang, vierspurig für Autos und zweispurig für die Straßenbahn, die dort noch immer oberirdisch fährt. Und das alles direkt vor meinem ehemaligen Wohnzimmerfenster. Doch die Wohnung hatte zur anderen Seite hin einen Balkon, halbrund, lindgrün gestrichen wie in den 60er Jahren und man schaute auf einen leicht begrünten Innenhof, den unser Haus sich mit drei anderen teilte. Seltsamerweise war es dort ruhig, bis auf das menschliche Lärmen von Nachbarn aus vielen Ländern. Im Sommer hab ich oft gedacht: „Italien, 1960!“ Ich erinnere mich aber auch an fröhliches Lärmen mit Wodkaflaschen und russischer Musik... Das waren meine ersten Eindrücke von der Friedrichstadt und es hat mir ganz gut gefallen.
ddorfer.info: Wie lange hast du dort gewohnt und was mochtest du besonders?
Maria: Gewohnt habe ich da von 1982 bis 1999, ohne Kinder, ohne Mann, kam aus dem Schwabenland und war ziemlich stadt- und kulturhungrig. Dafür ist die Friedrichstadt ideal: Kurze Wege zum Bahnhof, an den Rhein und auf die Kö, zum alten Städtehaus - heute das K21, ein Kunstmuseum mit schöner Terrasse vor dem Gründerzeitbau am Kaiserteich. Oder an den benachbarten Schwanenspiegel ü einen meiner Lieblingsorte in Düsseldorf, Teil des Spee'schen Grabens. Und damit leider schon nicht mehr zur Friedrichstadt gehörig, denn die zeichnet sich unter anderem durch unangenehm wenig Grün aus. Das K21 aber ist ganz klar ein Ausflugtipp - sei es wegen des hübschen Parks drumrum, wegen des Gebäudes, das früher das Parlament, später den Landtag von NRW beherbergte, wegen seines Cafés mit der langen Spirituosenkarte innen oder auf der Terrasse im Freien. Oder, natürlich, wegen der Kunst, all der vielfältigen Veranstaltungen vom Konzert bis zur Lesung ...
Termine und Tipps: http://www.kunstsammlung.de/startseite.html Jeden ersten Mittwoch im Monat ist das Museum übrigens von 10 bis 22 Uhr geöffnet. Noch existiert in der Friedrichstadt auch Düsseldorfs größter, unabhängiger Verlag, der Stern-Verlag, gelegen in der Friedrichstraße. Buchhandlung, Antiquariat und Verlag – alles in einem und die Universitätsbuchhandlung gehört auch dazu. Noch ist er nicht übernommen worden, aber gemunkelt wird schon.
ddorfer.info: Was hast du über „deinen“ Stadtteil und dessen Geschichte erfahren?
Maria: Als ich entdeckte, dass mein ‚Veedel‘ Friedrichstadt heißt, hatte ich sofort die Assoziationen von einem Kaiser oder König, einem Friedrich eben, der die Stadtplanung am grünen Tisch und mit dem Lineal betrieb - so ähnlich, wie in Mannheim die schnurgeraden, durchnummerierten Straßen entstanden sind oder wie Baron Haussmann seine brutal geraden Stra゚enschneisen durch Paris geschlagen hat. So ähnlich war es wohl, denn schnurgerade sind sie fast alle, die oft auch noch streng parallel laufenden Straßen der Friedrichstadt: Friedrich-, Tal- und Jahnstraße, Fürstenwall, Oberbilker Allee, Elisabeth-, Cornelius-, Herzog- oder Luisenstraße. Und der Stadtteil ist übrigens dem preußischen König, Friedrich Wilhelm IV. Gewidmet. Die ersten Bewohner sollen vorwiegend Beamte und Offiziere gewesen sein, das erklärt einiges.
ddorfer.info: Hast du eine Vorstellung davon, wie sich das Lebensgefühl in deinem Stadtteil im Lauf der Geschichte verändert hat?
Maria: Der Kirchplatz mit seiner mehrfach renovierten Kirche ist heute zum Beispiel schöner als zu meiner Zeit. Damals war er ein liebloser „Deckel“ über einer Tiefgarage, heute gibt es kleine Cafés, Büdchen, Händler. Vorbild ist sicher der Düsseldorfer Carlsplatz – doch der Kirchplatz ist viel bescheidener, fast ländlich, sieht man von den architektonischen Bausünden einer großen Landesbank und deren Nachfolgern ab. Außer am Kirchplatz gibt es kaum Hochhäuser in der Friedrichstadt, in aller Regel hat ein Haus nicht mehr als vier Stockwerke und steht „Backe an Backe“ mit dem Nachbarhaus, da hat sich seit dem 18. Jahrhundert, in der das „Veedel erbaut wurde, nicht viel geändert. Das Lebensgefühl hat mich immer ein wenig an die Barockzeit erinnert, auch da wurde gern schon so schnurgerade gebaut, vom Haus bis zum Garten alles inszeniert – man denke nur an Versailles. Nur in der Friedrichstadt leider meistens ohne Gärten. Verändert hat sich aber ganz klar das Provisorische, das teilweise „Abgewohnte“, das es früher gab: überall wird sichtbar, dass hier zunehmend mehr Geld unterwegs ist. All die Mini-Imbisse oder den Laden für alte Militärklamotten gibt es schon lang nicht mehr – was ich aber auch nicht grad vermisse.
Es gibt noch immer erstaunlich viele kleine Hotels, in denen Singles oder Studenten mit kleinen Wohnungen preiswert Eltern oder Freunde einquartieren können, Kneipen mitten auf dem Trottoir ohne Lärmschutz, wie das legendäre Café Knülle in der Oberbilker Allee oder den bayerischen Biergarten auf einem lärmigen Straßen-Bermuda-Dreieck kurz vor der Graf-Adolf-Straße - keine Ahnung, ob es den noch gibt, aber zu „meiner Zeit“ war das original bayerische Bier trotz Lärm im Sommer sehr beliebt. Griechische Restaurants waren ebenfalls angesagt, beispielsweise die Taverne Pegasos am Kirchplatz. Noch legendärer war das Restaurant La Poitinière in der Herzogstraße, das eine bescheidene und wirklich großartige belgische Köchin betrieb. Die Frau war in den 60er Jahren Köchin in Daniel Spoerris noch legendärerem Eat-Art-Restaurant am Burgplatz gewesen, ihre „Poitinière“ war klein und von außen unscheinbar, innen wie im Paris der 50er Jahre eingerichtet. Wer einmal da war, liebte es. Sehr traurig, dass es das nicht mehr gibt, was Vergleichbares habe ich nirgends gefunden.
Auch ein großer Baumarkt an der Oberbilker Allee ist einfach „verschwunden“. Was dort genau passieren soll, scheint noch nicht festzustehen – jedenfalls nehmen Bürgervereine gerade dieses Gelände immer wieder zum Anlass, ihrer berechtigten Forderung nach „bezahlbarem Wohnraum“ Gehör zu verschaffen. Denn natürlich ist auch die Friedrichstadt schon lang kein Mieter-Paradies mehr.... Da gab es zum Beispiel mal die berühmte Schokoladenfabrik von Otto Bittner zwischen Tal- und Jahnstraße, heute ist daraus das Luxus-„Quartier Friedrichstadt“ geworden. Zu vermissen gibt es da nicht allzu viel, das waren ziemlich öde Straßen auf dem Weg zur Kö oder an den Graf-Adfolf-Platz. Doch, die Geschichtswerkstatt von Thomas Bernhardt, dem wunderbaren Grafiker und „Amüsemang“-Fachmann mit seinen Unmengen historischer Fundstücke, die lag auch in dieser Gegend, da war ich häufig und hab in seinen Schätzen gewühlt, die kann man schon vermissen... Natürlich ändert sich das Lebensgefühl mit dem Bau solcher Luxusquartiere.
Dort zu wohnen, ist alles andere als preiswert und im Rest des „Veedels“ steigen dadurch die Mieten natürlich noch mehr als ohnehin schon. Im Übrigen ist das jetzt auch noch „Wohnen mit Geschmack“, wie die Baufirma wirbt: Im Krokant- oder Karamelhaus so heissen die Luxuswohnungen wirklich. Apropos Süßigkeiten: die Maoams sollen auch mal in der Friedrichstadt produziert worden sein. Ist aber vielleicht nur ein Gerücht.
ddorfer.info: Das war ja jetzt erstaunlich viel Kulinarisches! Was aber ist mit Kultur im Stadtteil, mit Kreativität?
Maria: Im Erdgeschoss „meines“ Hauses gab es damals einen Secondhandladen, der ausschließlich schwarze und weiße Kleidung verkaufte – lief zeitweise gar nicht schlecht. Kreativität ist und war hier nie weit weg, wie überall, wo Menschen noch nicht rundum „satt“ sind. Da gab es eine tolle Goldschmiedin am Fürstenwall, kurz auch mal ein kleines Modelabel, eine Jazzkneipe oder eine alteingesessene Sattlerei, Galerien machen heute wie damals auf und schließen, Projekträume entstehen und verschwinden wieder. Neulich las ich, dass Düsseldorfs Chaos Computer Club sowie der Elektrische Reporter von Mario Sixtus im Real Life in der Friedrichstadt zu Hause sein sollen..... ob das stimmt, oder was genau es zu bedeuten hat, weiß ich nicht, denn ich hab es nicht mit eignen Augen gesehen.... Doch es würde passen: In der Friedrichstadt tut sich durchaus einiges und das zeigt sich deutlich an der Kultur und ihren „Spielorten“. Zwei Tipps dazu: Der Kulturverein Brause, der zwar eine ehemalige Tankstelle nutzt, aber eigentlich als Verein Metzgereischnitzel firmiert.... Die Namen sagen es schon: Kultur sollte Spaß machen – und tut es hier auch häufig.... Termine und mehr dazu hier: http://www.metzgereischnitzel.de/
Oder den Kultur- und „Off-Raum“-Verein „damenundherren“, ganz in der Nähe – für alle, die sich für Kunst und Kultur jenseits des „Mainstreams“ interessieren. Link: www.damenundherren.de
Ganz pauschal würde ich sagen: Im Lauf der letzten 20 Jahre hat sich der letzte Rest des alten „Offizier- und Beamtendenkens“ aus der Friedrichstadt verzogen und einer gelebten Nähe des Stadtteils zur Universität sowie mit dem Bau der neuen KIT, der von der Kunsthalle Düsseldorf betriebenen „Kunst im Tunnel“ in der benachbarten Carlstadt, auch einer Nähe zur Künstler- und Kunsthochschul-Szene Platz gemacht. Es ist lebendiger geworden in der Friedrichstadt – aber wie immer hat das einen Preis: Mit der dadurch entstehenden, größeren Lebensqualität steigen auch die Lebenshaltungskosten....
ddorfer.info: Würdest du heute noch einmal in die Friedrichstadt ziehen?
Maria: Jein. Denn bei allen Vorzügen des Stadtteils: Die Straßenschluchten ohne viel Grün dazwischen können ganz schön abweisend wirken. Oder man denkt wie ich an die Untertanen eines Friedrichs, die in zwar soliden, aber engen Häusern platzsparend untergebracht werden mussten. Damals wie heute: Wer Geld hat, wohnt eher selten nicht. Aber das ist ein Problem von ganz Düsseldorf. Und der Grund dafür, weshalb ich die Stadt nie sonderlich mochte, so lang ich dort gewohnt hab: Ich hatte immer zu wenig Geld und habe mich darum ziemlich unwohl gefühlt. Aber das wurde mir erst klar, nachdem ich weggezogen war.
Heute denke ich, ich hätte ruhig ein wenig dankbarer sein können, denn eigentlich war sie perfekt für mich, die Corneliusstraße – vorausgesetzt, alle Fenster sind anständig lärmgedämmt. Aber das war schon 1982 in den meisten Wohnungen der Fall. Die Mieten sind – vergleichsweise und für die extrem große Nähe zur Innenstadt - nicht allzu hoch, alle Wege kurz, Kultur ist immer in der Nähe, Shoppen gehen auch kein Problem....
ddorfer.info: Wem würdest du den Stadtteil Friedrichstadt empfehlen?
Maria: Also, ich bin immer gern in „meinem Viertel“ flanieren gegangen - und dieses fast ausgestorbene Vergnügen funktioniert in schnurgeraden Straßen besonders gut, vielleicht noch netter mit einem Hund, den ich damals noch nicht hatte. Auslauf bekommt er allerdings in der Friedrichstadt nicht. Kindern begegnet man eher selten, denn es ist wirklich keine besonders gute Wohngegend für Familien mit Nachwuchs. An einen Spielplatz beispielsweise kann ich mich überhaupt nicht erinnern, dafür aber an den erbitterten Kampf um die Schließung eines der wenigen Kindergärten im Stadtteil. Nach „meiner“ Zeit wurde durch die Umgestaltung des Fürstenplatzes ein Spielplatz gebaut, mehr kann ich dazu aber nicht sagen. Ganz sicher ist die Friedrichstadt eine gute Wohngegend für Kulturhungrige, Neugierige, städtisch orientierte Menschen. Entweder jung – wegen des schmalen Budgets. Oder älter aus demselben Grund. Oder dazwischen. Aus denselben Gründen. Und wegen der öffentlichen Verkehrsmittel, die hier wirklich bequem zu nutzen sind. Die Parkplatzsuche dagegen ist eine Zumutung. Aber eigentlich braucht man in der Friedrichstadt kein Auto – da fährt ja ohnenin schon genug rum.....
ddorfer.info: Hast du noch den ein oder anderen Ausflugstipp für uns?
Maria: Mit der Straßenbahn ist man von der Corneliustraße stadtauswärts schnell in Benrath. Dazu ein Ausflugstipp: die Benrather Schlosskonzerte. Das sind klassische Konzerte im Freien, in einem wunderschönen Park mit anschließendem Feuerwerk und - ganz wichtig! - der Möglichkeit, sich selbst und Freunde mit einem möglichst barock-oppulenten oder ganz puristisch-weiß gehaltenen Picknick während der Darbietungen zu bewirten. Da werden schon Stunden vorher Kerzenkandelaber, Silberbesteck und teures Geschirr, jede Menge Tischdecken, Essen und Stoffservietten, Tische, Stühle und Kerzen in den Park getragen.... zum Staunen schön! Infos dazu und zu anderen Konzerten beim Veranstalter hier: http://www.kkg-duesseldorf.de/schloss_benrath.html Der Park ist aber natürlich auch ohne Veranstaltung einen Besuch wert, das Schloss kann auch besichtigt werden.
Leider ebenfalls nicht in der Friedrichstadt, sondern nebenan in Bilk steht der denkmalgeschützte Salzmannbau, benannt nach seinem Architekten und bis 1985 Sitz der Jagenberg-Werke. Ich erwähne ihn hier, weil mit diesem Gebäude so komplett anders umgegangen wurde als mit der Schokoladenfabrik in der Friedrichstadt: Statt Luxuswohnungen gibt es hier viele Adressen rund um Kultur und Familie, für bürgerschaftliches Engagement und zum Selbst-Akiv-Werden. Außerdem ist das natürlich ein Ausflugstipp für alle Architektur-Fans: An seiner Außenfassade ist das riesige und sehr gut erhaltene Gebäude fast über und über mit alten, echten, gebrannten Kacheln verkleidet! Außerdem gibt es viel Kultur und ein Bürgerhaus, Angebote für Kinder und, und, und – leider ist die Internetseite nicht sonderlich gut. Aber für den ersten Eindruck: http://www.salzmannbau.com
ddorfer.info: Vielen Dank für das tolle Interview!
(Beitragsbild-Credit: ewastudio / 123RF Stockfoto)
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